Sehr geehrte Besucherin, sehr geehrter Besucher

Mit unserer Ausstellung möchten wir, die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“, Ihnen die Möglichkeit geben einen tieferen Einblick in unsere Erfahrungen auf der Flucht in den letzten drei Jahren zu bekommen.

Dazu beschreiben und analysieren wir diese Erfahrungen und die damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Ereignisse und Begebenheiten in drei Schritten:

  • die Situation in Libyen vor- während und nach dem Krieg sowie den Weg über das Mittelmeer
  • die Situation in den italienischen Flüchtlingseinrichtungen
  • die Situation in Hamburg 


    Wir möchten Ihnen darüber hinaus ein Verständnis der historischen Hintergründe und Fakten ermöglichen und skizzieren die Menschenrechtsverletzungen, mit denen wir auf diesem Weg konfrontiert waren. Aus diesem Grund finden sie auf einigen Tafeln, wie auch in Ordnern, Texte von Menschenrechtsorganisationen, WissenschaftlerInnen, aus juristischen Gutachten, Gerichtsurteilen und Zeitungsartikeln. Auf einer der Tafeln finden Sie zudem ein Pad, auf dem sie Filme ansehen können, die ebenfalls einen Einblick in die Hintergründe unserer Erfahrungen gewähren.
Unsere Evaluationsmethode ähnelte dabei denen der Wahrheits- und Versöhnungskommissionen in Südafrika und südamerikanischen Ländern, nach Bürgerkriegen. In diesem Rahmen haben wir mit dem Soziologen und Menschenrechtler Martin Dolzer zusammengearbeitet. Wir haben uns versammelt, zusammengesessen und über unsere Erfahrungen, Verluste und Traumata berichtet diskutiert und diese im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, wie z.b. dem Libyenkrieg und dem europäischen Flüchtlingssystem analysiert. Im Verlauf dieses kollektiven Prozesses haben wir die Texte erstellt, Berichte geschrieben und Fotos sowie Filme zusammengestellt, die in der Ausstellung zu sehen sind.

Unsere Methode ist ein Ansatz von „Restorative Justice“. Das ist ein Ansatz von Justiz, der in unserem Fall auf die Bedürfnisse der Opfer und der involvierten Communties ausgerichtet ist, anstatt abstrakten Rechtsvorstellungen und Systemen zu folgen, die lediglich darauf ausgerichtet sind TäterInnen zu bestrafen.

Wir sind Opfer des Libyenkrieges und der Mechanismen des europäischen Flüchtlingssystems. Mit unserer Ausstellung und der angewandten Methode nehmen wir eine aktive Rolle in dem gesamten Prozess ein. Wir wollen darüber hinaus den TäterInnen sowie den verantwortlichen PolitikerInnen die Möglichkeit geben, die Verantwortung für die „Verletzungen , die sie verursacht haben und die Taten, die sie begangen haben, zu übernehmen.

Normalerweise involvieren Verfahren der „Restorative Justice“ beide Seiten – die Opfer und die TäterInnen – und fokussieren auf deren jeweilige Bedürfnisse.

In unserem Fall sind die TäterInnen und die verantwortlichen PolitikerInnen jedoch nicht so leicht einzubeziehen. Die Einen leben in Libyen und handeln weit jenseits der Menschenrechte und internationaler Regulierungen und Verträge – und die Anderen – die verantwortlichen PolitikerInnen – sind bis Heute nicht bereit einen Dialog mit uns zu führen.

Wir sind uns bewusst, dass diese Ausstellung lediglich ein erster Schritt dazu sein kann die Fakten zu untersuchen und Ihnen einen Einblick in unsere Erfahrungen zu geben. Vielleicht können wir auf diese Weise einen Impuls für eine langfristige Wahrheitsfindung und Aussöhnung geben.

Wir, die Kriegsflüchtlinge der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“, fordern den Menschenrechten entsprechend, ein permanentes Aufenthaltsrecht sowie freien Zugang zu Arbeit, Bildung und Gesundheitsversorgung in Deutschland. Diese Forderungen können sofort erfüllt werden. Im regionalen- , bundes- und europäischen Recht gibt es eine Vielzahl von Regulierungen, die das ermöglichen – dazu gehört u.a. der § 23 Aufenthaltsgesetz,

hochachtungsvoll,

die Kriegsflüchtlinge der Gruppe
Hamburg in Lampedusa“















Die Situation in Libyen

Vor dem Krieg

Wir die Flüchtlinge der Gruppe “Lampedusa in Hamburg” sind sämtlich Kriegsflüchtlinge, die bereits lange vor dem Krieg 2011 in Libyen lebten. Wir haben dort u.a. als elektrische Schweißer, Maurer, Fliesenleger, Handwerker, Tischler und als Bauarbeiter gearbeitet. Einige von uns hatten auch Betriebe aufgebaut und Angestellte beschäftigt, andere waren angestellt. Einige arbeiteten als Ingenieure oder im akademischen Bereich. Keiner von uns hatte das Ziel nach Europa zu kommen, da wir in stabilen Verhältnissen lebten und sozial abgesichert waren.

Wir hatten Zugang zu medizinischer Versorgung. Die meisten unterstützten Familien oder Gemeinden in ihren Herkunftsländern. Einige von uns lebten auch gemeinsam mit ihren Familien in Libyen. Viele waren in den 1990er Jahren oder nach der Jahrtausendwende nach dorthin migriert. Unsere ursprünglichen Herkunftsländer sind u.a. Nigeria, Togo, Ghana, Kamerun, Elfenbeinküste, Sudan, Niger, Mali, Gambia, Senegal, Burkina Faso und weitere subsaharische Staaten. In Libyen konnten wir ein gesundes und würdiges Leben führen. Wir hatten reguläre Einkommen und die Möglichkeit am kulturellen Leben teilzuhaben. Einige von uns arbeiteten lange Zeit bei italienischen oder deutschen Unternehmen.

In Libyen konnte vor dem Krieg jeder Mensch der sich darum kümmerte Arbeit finden. Für diejenigen, die ein zu geringes Einkommen bekamen, hatte die Regierung Läden mit dem Namen“Great Jamaria” eingerichtet, in denen die wesentlichen Bedarfsgüter umsonst ausgegeben wurden.


Während des Krieges

Bis zum 17. Februar 2011 hatten wir ein gutes Leben. Seit Ausbruch des Krieges befand und befindet sich das Land in einem permanenten Chaos. Das Leben wurde insbesondere für SchwarzafrikanerInnen sehr gefährlich. Es gab viele Massaker, da wir als Schwarzafrikaner fälschlicher Weise generell unter dem Verdacht standen, Söldner Muammar al Gaddafis gewesen zu sein.

Nach Kriegsausbruch übernahmen Milizen der „Rebellen” die Macht in einigen Städten – Soldaten und Milizen bewegten sich und kämpften im ganzen Land. Jede/r LibyerIn litt ab einem gewissen Zeitpunkt unter dem Krieg – in vielen Städten war die Luft mit Kugeln und Bomben gefüllt. Dann wurden zudem die Grenzen geschlossen – die Grenzen nach Ägypten und Tunesien. Auch die Straßen in Richtung Süden wurden von Milizen und bewaffneten Banden kontrolliert. Es gab keine Möglichkeit zu entkommen.

Als die UN die Flugverbotszone deklarierte, eskalierte die Situation vollkommen. Ganze Stadtteile von Tripolis und weiteren Städten, wurden bombardiert. In diesem Fall beschützte die NATO nicht die ZivilistInnen – im Gegenteil – sie griff auch Stadtteile an, in denen ausschließlich ZivilistInnen lebten. Anstatt zu schützen, tötete die NATO im Rahmen dieser Bombardierungen tausende ZivilistInnen.

Bericht eines Flüchtlings

In vielen Städten durchsuchten die Milizen der „Rebellen“ die Häuser und folterten und/oder töteten sämtliche SchwarzafrikanerInnen. Es kam zu Massakern und Hinrichtungen auf den Marktplätzen. Viele von uns waren Augenzeugen dieses Geschehens. Einige von uns wurden im Rahmen dieser rassistischen Übergriffe gefoltert oder schwerverletzt. Oftmals wurden FreundInnen oder Verwandte vor unseren Augen misshandelt oder getötet. Jede/r hatte Angst. Die Rebellen verschleppten einige von uns in die Wüste. Sie feuerten Schüsse neben unseren Köpfen ab, raubten unser Hab und Gut und ließen uns in der Wüste zurück. Einige Menschen starben in der Wüste, da sie nicht in die Stadt zurückgelangen konnten.

Als der Krieg ausbrach wurde die Situation zunehmend gefährlicher und immer unerträglicher. Viele von uns befanden sich bis Juni oder Juli 2011 im Kriegsgebiet. Fünf Monate 5 waren wir Augenzeugen von Mord und Übergriffen und lebten unter unmenschlichen Bedingen. Jede/r von uns ist traumatisiert.

Die einzige Möglichkeit zu überleben war das Mittelmeer in Richtung Europa zu überqueren. Einige gingen freiwillig – Andere wurden von den Soldaten der Gaddafiarmee aufgefordert zu gehen, um sich in Sicherheit zu bringen - Viele wurde von Soldaten oder Milizen in viel zu kleine Boote gezwungen.

Die Milizen zwangen uns in die Boote. Wir konnten nicht erkennen für wen sie kämpften. Sie nahmen uns unsere Handys und Speicherkarten, unsere Fotoapparate, unsere Pässe und alles was wir besaßen ab, bevor sie uns in die Boote zwangen. Offensichtlich wollten sie auch verhindern, dass wir Fotos oder Filme mit uns nahmen.

Bericht eines Flüchtlings

Bevor der Krieg ausbrach, versorgte ich meine Familie im Heimatland. Als dann der Krieg begann, nahmen mich Milizen fest. Ich weiss nicht für wen sie kämpften. Sie schlugen und misshandelten mich und erschossen meinen Bruder und meinen besten Freund direkt vor meinen Augen. Ich denke jeden Tag an meinen Bruder.

Sie hielten mich und viele Weitere in einem dunklen Keller eines Gebäudes gefangen. Ich weiss nicht wie lange. Sie schlugen und folterten uns jeden Tag ohne Gnade. Irgendwann nach der Einrichtung der Flugverbotszone konnten wir fliehen. Endlich konnten wir wieder die Sonne sehen.

Dann eskalierte der Krieg mehr und mehr. Soldaten brachten uns zum Hafen weil die ganze Stadt bombardiert wurde. Es gab keinen anderen Weg um zu überleben – insbesondere für uns Schwarzafrikaner, die oft von Rebellen” massakriert wurden. Sie nahmen uns Alles was wir bei uns hatten, bevor wir ins Boot stiegen. Ich habe in Libyen alles verloren wofür ich mein Leben lang gearbeitet habe. Das Boot in das sie uns brachten war viel zu klein für so viele Menschen. Der Kapitän sagte das auch, wurde jedoch ignoriert. An Bord gab es kein Essen und kein Wasser. Mitten auf dem Meer kenterte das Boot dann. Viele Flüchtlinge starben – ich wurde gerettet und konnte überleben.


Bericht eines Flüchtlings der in Benghazi lebte, als der Krieg ausbrach:

„Als die Revolution begann, fingen die Rebellen an die Häuser in den Stadtteilen zu durchsuchen, in denen SchwarzafrikanerInnen lebten. Sie gingen von Haus zu Haus. Einige Männer wurden nach Misrata verschleppt und nie wieder gesehen. Viele Menschen verschwanden und wurden Opfer extralegaler Hinrichtungen.

Als der Krieg ausbrach konnten Schwarzafrikaner nicht mehr in den gleichen Stadtteilen leben wie die Arabisch stämmigen – Rassentrennung, rassistische Übergriffe and Morde waren alltäglich. Die „Rebellen“ nahmen oft die Ausweise weg. Viele Schwarzafrikaner versuchten in die Wüste zu fliehen um dem zu entkommen – viele starben dort.“

 Bericht eines weiteren Flüchtlings aus Benghazi

„Als wir von Benghazi in Richtung Tripolis flüchteten gab es viele Kontrollen durch Milizen. Wir mussten zu Fuß gehen. Autofahrer hatten Angst getötet zu werden, wenn sie SchwarzafrikanerInnen mitnahmen. An Kontrollpunkten fragten die Milizen ob die Menschen die Regierung oder die Rebellen unterstützen – wer die „falsche Antwort“ gab wurde erschossen oder geköpft – und es war nicht immer zu erkennen wer einen kontrolliert, da auch Rebellen die Uniform der Armee trugen. Wir mussten auf der Hauptstraße gehen, da es in den Wüsten am Rand der Straße keine Orientierungsmöglichkeiten gibt. Auf der Straße zu gehen war, ein ständiges sich über Tote bewegen. Wir liefen, um unser Leben zu retten – aber wo liefen wir hin? Es gab keinen sicheren Ort und keinen sicheren Weg.“

Bericht eines Flüchtlings der in Sirte arbeitete:

„Sirte ist eine Stadt in der Nähe von Benghazi. Ich lebte in Tripolis und ging dann nach Sirte, weil dort die Löhne fürs Verputzen von Häusern höher waren. Als der Krieg anfing hörten wir, dass die Grenzen geschlossen wurden – aber wir wussten nicht was genau passiert. In dieser chaotischen Situation zahlte das Unternehmen, bei dem ich arbeitete sämtlichen Arbeitern
die Löhne der letzten zwei Monate nicht aus. Wir hatten deshalb lange Zeit zu wenig zu Essen.

Auf der Straße sahen wir Soldaten, die sich in Richtung Benghazi bewegten um die Grenze zu blockieren. Wir konnten Sirte drei Wochen nicht verlassen. Wir waren 300. Nach drei Wochen entschieden wir uns zu Fuß zur Grenze zu gehen. Dort verlangten wir von den Soldaten, dass sie uns zum Flughafen bringen sollten, damit wir das Land verlassen können. Nach langen Verhandlungen holten sie Lastwagen, ließen uns auf die Ladeflächen steigen und brachten uns nach Tripolis.

Dort lebten wir 14 Tage in einem Lager, in dem ca. 3000 Menschen waren. Immer wieder wurden Menschen aus dem Camp geholt – aber niemand wusste wo sie hingebracht wurden. Eines Tages nahmen sie auch mich mit. Sie brachten uns ans Mittelmeer und ließen uns in Boote einsteigen.

Bericht eines weiteren Flüchtlings:

„Sie stießen uns in kleine Boote. Wer sich weigerte zu gehen wurde erschossen. Jeder musste sich ergeben und wurde durchsucht. All unser Hab und Gut haben die Milizen gestohlen. Viele Boote hatten ein Leck und sanken sehr schnell. Die Milizen begleiteten einige Boote, um sicherzugehen, dass sie nicht zurückkehren. Sie sagten wer zurück kommt wird getötet. Die Boote waren völlig überfüllt – viele Menschen, tausende starben im Mittelmeer. Einige starben wegen der Situation in den Booten – es gab kein Essen, kein Wasser. Andere starben weil die Boote überfüllt waren oder weil die Boote ohne Navigation im Mittelmeer verloren gingen. Viele kollabierten auf den Booten.

Bericht eines Flüchtlings aus Tripolis:

„Als die Bombardierungen anfingen, hatte niemand die Flugzeuge gesehen – wir hörten nur die Bomben und Raketen die einschlugen – alles geschah so schnell. Überall schlugen Bomben ein – die Menschen rannten orientierungslos herum und wussten nicht, wo sie den Bomben entkommen könnten. Das erste Bombardement der NATO galt dem Flughafen von Matiga. Bangashe, ein Stadtteil in dem es viele Kasernen gab, lag direkt neben einem Stadtteil, in dem nur ZivilistInnen lebten. Die NATO bombardierte auch diesen Stadtteil und machte ihn dem Erdboden gleich.

Viele Menschen hatten am Flughafen ausgeharrt um auszureisen, als die NATO ihn bombardierte. Deshalb starben auch dort viele ZivilistInnen. Tag und Nacht wurden Bomben abgeworfen – keine ruhige Minute dazwischen. Als die UN die Flugverbotszone einrichtete hat alles angefangen sich zu verschlechtern. Eine Miliz besetzte ein Flugzeug des Roten Kreuzes und tötete damit viele Menschen.”


Die Situation auf den Booten

Bericht eines Flüchtlings:

„Ich bin 1999 nach Libyen gekommen. Dort gab es Fleisch, Gas, Wasser und Strom umsonst. Wir mussten lediglich unsere Miete bezahlen. Vor dem Krieg gab es eine große Stabilität im Land. Ich hatte eine Familie – Frau und Kinder, mit denen ich zusammenlebte. Ich hatte auch ein Unternehmen aufgebaut. Aber der Krieg hat alles zerstört. Die Rebellen haben alles genommen. Sie Menschen angegriffen und verwundet. Auch ich wurde Opfer eines Übergriffs und schwer verletzt. Später in Italien verweigerten mir die Verantwortlichen die notwendig Behandlung meiner Wunden. Ich habe meine Frau und Kinder verloren, weil wir in unterschiedliche Boote gezwungen wurden. Ich habe sie nie wieder gesehen.

Tausende starben im Meer, viele Frauen und Kinder. Viele Boote sanken. Es waren alte Fischerboote. Weniger als die Hälfte der Boote die losfuhren kamen an. Nachdem zu viele Flüchtlinge auf die Boote gezwungen wurden, sanken Unzählige oder brachen auseinander. Wir hatten nichts zu trinken, kein Wasser. Alles wurden den Menschen abgenommen, bevor sie in die Boote gezwungen wurden. Wir verbrachten vier oder fünf Tage auf dem Mittelmeer ohne Essen und Trinken. Nur diejenigen, die sehr viel Glück hatten, überlebten.“

Bericht eines Flüchtlings:

„Die Menschen, die im Boot starben wurden über Bord geworfen. Das Boot war viel zu klein für all die Menschen. Wir waren zwei Wochen auf dem Meer. Es gab keinen Kompass, keine Navigation. Wir hatten keinen Kapitän und mussten uns aufeinander verlassen. Es gab keinen Punkt an dem wir uns orientieren konnten.”

Ein Flüchtling sagt:

„Ich frage mich warum die Autoritäten in Europa uns immer wieder die selben Fragen stellen. Wo kommst Du her? Warum bist Du hierher gekommen? Wann bist Du hierher gekommen? - ohne nach den Hintergründen unsere Kommens zu fragen. Viele Menschen behandeln uns hier wie Kinder oder Menschen ohne Bewusstsein, die keine Bildung haben. Aber die afrikanischen Menschen von Heute, haben die gleiche Bildung genossen, wie die EuropäerInnen. Auch wir können die Gesellschaften, in denen wir leben und unsere Umwelt sehr gut analysieren.
 

Es macht keinen Sinn zu versuchen uns zu degradieren – und unsere Anliegen und Forderungen nicht ernst zu nehmen. Wir wollten niemals nach Europa kommen, bis die NATO den Krieg in Libyen eskaliert hat. Libyen wurde ganz offensichtlich angegriffen, weil die libysche Regierung andere afrikanischen Staaten unterstützte und versuchte den Kontinent zu vereinen. Wie können Menschen die mitverantwortlich für die Zerstörung eines funktionierenden Landes mit einem Sozialsystem sind, in dem wir in Würde lebten, nicht einmal unseren Willen zu arbeiten und unsere Forderungen nach den Menschenrechten auf Bildung, Obdach und medizinischer Versorgung respektieren. Das ist irgendwie sehr inhuman und ignorant. Die EuropäerInnen sagten, dass sie ZivilistInnen schützen wollten – und versagen dabei auch hier und jetzt
– jetzt wo wir in Europa den Schutz suchen, den sie versprochen haben, verschließen sie erneut ihre Türen.“


Die Situation in den Flüchtlingscamps in Italien


Wir wurden über einen Zeitraum von gut zwei Jahren auf Flüchtlingseinrichtungen in Italien verteilt. Einige waren in Camps mit mehreren Tausend, Andere in heruntergekommenen Hotels, die von den Behörden gemietet waren, untergebracht. Weitere lebten auf der Straße. Die Lebensbedingungen waren so schlecht, dass sie Gesundheit und Leben gefährdeten. Krankheiten und Traumata konnten nicht adäquat behandelt werden. Neue Traumata wurden durch Übergriffe, schlechte Behandlung, die Verweigerung medizinischer Versorgung und Mangelernährung sowie durch Unterdrückung, degradierende Behandlung und Ignoranz der Verwaltungen und Behörden ausgelöst.

Im Winter 2012/13 stellten uns die Behörden Dokumente aus die einen humanitären, staatenlosen oder politischen Status garantieren. Gleichzeitig wurden wir aus den Einrichtungen genötigt und aufgefordert oder gezwungen die Kommunen oder Italien in Richtung Nordeuropa zu verlassen. Die BehördenvertreterInnen gaben Einigen bis zu 500,- Euro. Man sagte uns, dass nichts mehr für uns getan werden könne, da es keine Arbeit oder Perspektive uns in den italienischen Kommunen versorgen zu können gebe. Einigen wurde mit Inhaftierung oder Gewalt gedroht, wenn sie die Einrichtungen oder das Land nicht verlassen.

Über die katastrophale Lage der Flüchtlinge in Italien gibt es eine informatives Gutachten der NGO Borderline e.V., dass von Judith Gleitze im Auftrag des Verwaltungsgerichts Braunschweig erstellt wurde. Insgesamt 200 Verwaltungsgerichte erklärten Abschiebungen von Flüchtlingen nach Italien aufgrund der dort bestehenden Gefahr von unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gegenüber Asylsuchenden und Schutzbedürftigen, für rechtswidrig.

Bericht eines Flüchtlings

„Wir die Flüchtlinge der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ kamen alle in Lampedusa an, nachdem wir das Mittelmeer überquert hatten. Die meisten von uns blieben bis zu 10 Tagen im Lampedusa Camp oder auf den Wiesen davor. Die Räume im Camp waren zu klein, es gab zu wenig zu Essen, medizinische Versorgung wurde nur selten gewährt. Viele Flüchtlinge mussten außerhalb des Camps auf Wiesen übernachten. Sie gaben mir 2 Hosen und ein Paar Schuhe, weil wir in Libyen all unser Hab und Gut abgeben mussten, bevor wir in die Boote gingen oder gezwungen wurden.


Nach zwei Tagen in Lampedusa wurde ich in eine Provinzstadt nahe Mailand gebracht. 40 Menschen lebten dort in einem heruntergekommenen Gasthaus. Dort lebte ich die nächsten zwei Jahre. Gasthäuser und Hotels hatten Verträge mit der italienischen Regierung. Das Haus in dem ich lebte war ekelerregend und schmutzig. Wir bekamen zu wenig zu Essen und mussten in einem viel zu kleinen Raum zu viert leben. Es gab keinen Platz, keinen Schutz. In den zwei Jahren bekam ich weder neue Kleidung noch weitere notwendige Sachen. Jeden Tag gab es Nudeln – oft auch ohne weitere Zutaten. Die 46,- Euro die die UN für jeden Flüchtling täglich zahlte haben uns niemals erreicht. Behördenvertreter kamen nicht ins Camp. Wir mussten, ohne einen Anwalt kontaktieren zu können, vor einer Kommission aussagen.

Wir durften keine Handys benutzen. Es dauerte acht Monate, bis ich mir eins besorgen konnte. Die Verwaltung hatte offenbar Angst, dass wir Jemanden über die Situation in der Einrichtung informieren könnten. Unsere Lebensbedingungen waren sehr schlecht. Manchmal musste ich zwei Wochen auf Zahnpasta oder Shampoo warten, die/das ich zuvor beantragt hatte. Zuerst bekamen wir Wasser in Flaschen, später mussten wir das verdreckte Leitungswasser trinken. Sie haben uns so behandelt, weil wir Flüchtlinge sind.

In Italien gab es keine Organisation, die uns unterstützte. Im Winter 2012 entschieden die Behörden, sämtliche Einrichtungen zu schließen, weil ein EU Fond auslief, der weite Teile der Kosten trug. Während der gesamten zwei Jahre hatte es keine Integrationsmaßnahmen gegeben. Letztendlich entschieden wir eine Demonstrationen in Rom und Mailand durchzuführen, um auf unsere Situation aufmerksam zu machen.

Als die Behörden entschieden unser Gasthaus zu schließen, wollten wir nicht gehen, da es Winter war und Frost herrschte. Es war zu kalt und wir hatten keine Perspektive in Italien zu überleben. Wegen der Wirtschaftskrise gibt es dort insbesondere für Flüchtlinge keine Arbeit oder jegliche Unterstützung. Faktisch heißt das, dass uns die Menschenrechte vorenthalten wurden. Die Polizei kam in unser Gasthaus und zwang uns die Räume zu verlassen. .

Es schneite ununterbrochen. Die Behörden gaben uns bis zu 400,- Euro. Ein Zimmer zu mieten kostet jedoch 800,- oder1000,- Euro Kaution. Als ich aus der Flüchtlingseinrichtung genötigt wurde, musste ich auf der Straße und in Bahnhöfen schlafen.”

Bericht eines Flüchtlings

„Die Papiere, die wir erhielten, geben uns lediglich einen zeitlich begrenzten, humanitären Status , jedoch keine Arbeitserlaubnis. Es gab keine Überlebensperspektive in Italien – keine Arbeit, keine Wohnmöglichkeit. Den meisten von uns wurde empfohlen, das Land zu verlassen und sie erhielten sogar Tickets. Einigen wurde gesagt, sie sollten die Kommune verlassen, in der sie lebten. Anderenfalls würden sie verhaftet oder verlören ihren Status. Das ist der Grund, weshalb wir Italien verlassen haben.

Ich frage mich wo all das Geld geblieben ist, dass Italien von der UN zur Aufnahme der Flüchtling erhalten bzw. gefordert hat. In dem Camp, in dem wir lebten, gab es nur kaltes Essen, keine Vitamine. Niemand hat sich um unsere Probleme gekümmert oder uns angehört. Sobald Jemand auf seine Rechte bestand, musste er das Camp verlassen. Die Verwaltung des Camps und die Manager waren korrupt – eine Verständigung war nicht möglich.

Einige Male wurden wir auch genötigt Papiere zu unterschreiben, deren Text wir nicht kannten, um nicht aus dem Camp geworfen zu werden. Nach Lampedusa hat man uns nie mehr Kleidung gegeben. Wir waren ständig willkürlicher Behandlung ausgesetzt. Einige der Camps und Hotels ähnelten eher Gefängnissen.“

Bericht eines Flüchtlings

„Einige von uns Flüchtlingen erhielten zudem keine Krankenversicherungskarte. 2012 bekamen die italienischen Behörden von der UN Geld für eine Weihnachtsfeier für uns Flüchtlinge. Dieses Geld kam nie bei uns an.

All das Geld der UN und EU hätte für unsere Integration verwendet werden können. Das ist einer der Gründe, weshalb die UN ihre Zahlungen einstellte.

Sie stellen uns einen Anwalt, der jedoch kein Englisch sprach. Dieser Anwalt und die meisten anderen AnwältInnen, die uns Flüchtlingen angeboten wurden, verteidigten ihre eigenen oder die Interessen der Behörden, nicht jedoch unsere. Das verstößt gegen Gesetze und mehrere europäische Regulierungen.


Bericht eines Flüchtlings

Ich lebte in einem Camp in Foggia. Dort verweigerten die Verantwortlichen unsere Gesundheitsversorgung. Darüber hinaus gab es auch nicht genug zu Essen. Es gab einen Anwalt – aber der verlangte Bezahlung – wie sollten wir Flüchtlinge denn für diese Kosten aufkommen. Während meines Aufenthalts im Camp habe ich nicht einen Cent verdient. Die Leiterin des Camps
war eine inhumane Person, die uns Flüchtlinge respektlos behandelte. Nach sechs Monaten wurde ich gezwungen das Camp zu verlassen – aber es war für mich unmöglich, auf der Straße zu überleben. Als ich in das Camp zurückkehrte, bekam ich keine Lebensmittel mehr – länger als ein Jahr musste ich mich in sämtlichen belangen selbst versorgen.

Bericht eines Flüchtlings

„In unserem Camp hatten wir keinen Zugang zu AnwältInnen. Wir lebten in der Nähe von Genua. Wenn wir nach einem Anwalt fragten, versuchte die Leitung uns auf die Straße zu setzen – oder wir wurden namentlich von der Polizei registriert. Jeder der etwas forderte war in Gefahr. Die Einrichtungen, in denen wir lebten, nutzten unseren dortigen Aufenthalt für ihren eigenen wirtschaftlichen Profit. Drei Tage nach Erhalt des humanitären Status sagte uns der Hotelmanager, dass wir das Hotel zu verlassen hätten. Nur die, die unterschrieben, dass sie nicht zurückkehren würden, erhielten etwas Geld.

Nach Verlassen der Einrichtung mussten wir auf der Straße leben. Die Atmosphäre in Italien ist sehr rassistisch. Viele von uns wurden angegriffen. Zudem war es eiskalter Winter und wir hatten keinen Platz zum Überleben. Niemand hat uns geholfen wir wurden wie Sklaven behandelt.¨

Bericht eines Flüchtlings

Während wir in den Einrichtungen lebten, mussten einige ins Krankenhaus. Einige der Manager gaben uns nicht die verschriebenen Medikamente, sondern andere. Manchmal erhielten wir auch nur die Hälfte der verschriebenen Medikamente. Einer der Flüchtlinge wurde aus dem Camp geworfen, als er schwere Nierenprobleme hatte und auf medizinische Behandlung bestand.

Ein Assistent, der in der Einrichtung arbeitete, in die wir gebracht wurden, sagte, dass die Kommune 6,- Euro für jeden von uns pro Tag einbehalten würde, die wir erhalten sollten, wenn wir das Camp verlassen. Dieser Assistent wurde später entlassen. Sein Nachfolger verweigerte uns die ca. 5.000,- Euro auszuzahlen, als wir das Camp verließen. Im Vergleich dazu wirken die 500,- Euro, die wir erhielten, eher zynisch. Die Behörden gaben vor, dass das uns zustehende Geld für die Gesundheitsversorgung ausgegeben wurde. Das ist aber eine Lüge. Ich beantragte wegen der Verletzungen, die mir in Libyen zugefügt wurden, eine Operation – mein diesbezüglicher Antrag wurde jedoch abgelehnt.

Uns wurde angedroht, dass wir verhaftet werden würden, wenn wir die Einrichtung, in der wir untergebracht waren, nach Erhalt unseres humanitären Status nicht verlassen würden.


Die Situation in Hamburg

Nachdem wir gezwungen worden waren, die Einrichtungen in Italien zu verlassen, kamen wir nach Hamburg. Einige von uns lebten in dem sogenannten Winterprogramm, andere erreichten Hamburg später im Jahr 2013. Seit April 2013 befinden wir uns in einer sehr bedrohlichen Lage, da wir gezwungen sind, auf der Straße zu leben. Der Winter war sehr lang dieses Jahr – auch der April war sehr kalt und zusätzlich gab es eine lange Regenperiode.

Wir begannen die Gruppe ¨Lampedusa in Hamburg¨zu organisieren, um unsere Rechte durchsetzen zu können. Wir haben ein Informationszelt in der Nähe des Hauptbahnhofs eingerichtet und im Rathaus demonstriert. Wir suchten das Gespräch mit dem Senat und dem Oberbürgermeister – diese haben den Dialog allerdings bis Heute verweigert. Wir demonstrierten vor einer Wahlveranstaltung der SPD und schrieben einen offenen Brief an die Hamburger Bürgerschaft, um unser Anliegen zu skizzieren und durchzusetzen. Manche von uns wurden aufgrund der unerträglichen Lebensbedingungen krank. 23 von uns hätten im Krankenhaus behandelt werden müssen – was faktisch nicht möglich war – mehr als 130 wurden von ehrenamtlichen Ärzten behandelt.


Seit Anfang dieser Zeit des Leidens im April 2013 wurde die Unterstützung für uns Flüchtlinge nicht vom Senat, den Behörden und großen Wohlfahrtsorganisationen, sondern von der Bevölkerung Hamburgs organisiert und getragen. Hauptsächlich junge Menschen und die „Karawane für Flüchtlinge und MigrantInnen“ sorgten für das Nötigste wie Essen, Unterbringung in kalten Nächten und die Vermittlung von Kontakten mit Denjenigen, die helfen wollen und medizinische Versorgung leisten. Seit Anfang Juni bieten die St. Pauli Kirche (80) und die Moschee in St. Georg (30) Flüchtlingen Unterkunft. Die Nachbarschaft in St. Pauli unterstützt uns und die Durchsetzung unserer Anliegen mit großer Hilfsbereitschaft. Wir sind sehr dankbar für diese humanitäre Hilfe und dass zumindest einige von uns nun einen Platz zum Übernachten haben. Aber dies kann keine Langzeitlösung sein – und viele von uns leben noch immer auf den Straßen.

Die Parteien “Die Grünen” und “DIE LINKE” haben im Juni ein Moratorium in die Bürgerschaft eingebracht, um die vom Senat angedrohte Abschiebung für sechs Monate auszusetzen und einen Raum für Verhandlungen zu schaffen. Einige tausend Menschen, wie auch die Kirche unterstützen dieses Moratorium. Auch die Bezirksversammlung in Altona mit sämtlichen Fraktionen unterstützt das Moratorium, entgegen der Position des Senats. Delegierte der Kirche verhandeln seit sehr langer Zeit mit dem Senat – leider bisher ohne positives Ergebnis. Im Grunde wäre aber adäquater, wenn der Senat das Gespräch mit uns suchen würde, da es um unser Schicksal geht. Sämtliche regionalen Fernsehsender, wie auch deutschlandweite Stationen und Medien berichten über unsere Situation in Hamburg. Viele Menschen sagen, dass wir dadurch, dass wir mit unserem kollektiven Engagement für die Einhaltung der Menschenrechte und unser Handeln die Diskussionen über die Flüchtlingspolitik positiv beeinflusst haben. Der Senat blockiert jedoch weiterhin jede akzeptable Lösung. 


Wir sind Opfer der europäischen Flüchtlings-politik, die nicht im Einklang mit den internationalen und europäischen Menschen-rechtskonventionen steht. Durch das Dublin II Abkommen wird den finanzschwächsten Ländern Europas – Griechenland, Italien, Spanien und Portugal sämtliche Verantwortung für die Flüchtlinge aufgenötigt – und diese können eine derartige Verantwortung nicht tragen. Momentan stehen wir auf der Schwelle zwischen Leben und Tod. Die italienischen Behörden gaben uns einen humanitären Status als Kriegsflüchtlinge, der uns ermöglicht in der EU zu leben. Der Hamburger Senat will uns jedoch so schnell wie möglich abschieben. Im Gegensatz zur rechtlichen Sachlage behauptet der Senat der Hansestadt, dass es keine Rechtsgrundlage gäbe, uns ein permanentes Aufenthaltsrecht zu gewähren.

Aber für uns ist von einem zum anderen Ort in Europa hin und hergeschoben zu werden keine Lebensperspektive. Wir fordern das Recht auf Wohnung sowie freien Zugang zu Arbeit, Bildung, Gesundheitsversorgung und sozialer Absicherung – und das Recht uns in der EU frei bewegen und niederzulassen zu können. 
 
Wir, diejenigen die den Krieg in Libyen überlebt haben, sind nicht gewillt uns von einem Desaster ins nächste schieben zu lassen, weil das keine Lebensperspektive ist und gegen die Menschenwürde verstößt. Seit wir uns im Mai 2013 an die Öffentlichkeit gewandt haben, sind wir ZeugInnen einer großen Welle der Solidarität. Viele Menschen und Akteure unterstützen unsere Forderungen.
Eine zentrale Forderung ist, dass uns ein permanentes Aufenthaltsrecht, entsprechend dem Völkerrecht und humanitären Aspekten gewährt wird. Der § 23 Aufenthaltsgesetz oder jede weitere Regulierung auf regionaler, bundesweiter oder europäischer Ebene, die Kriegsflüchtlingen einen Status gewährt, kann dazu angewandt werden.

Bericht eines Flüchtlings

Als wir genötigt wurden Italien zu verlassen, hatten wir das Ziel ein besseres Leben führen zu können. In Hamburg sind wir erneut mit der gleichen Situation konfrontiert wie in Italien. Die Landesregierung blockiert permanent unsere Ziele und Forderungen. Zuvor lebten wir – und viele leben Heute noch – auf den Straßen – ohne einen Platz zum Duschen, einen Platz zu Übernachten oder die Kleidung wechseln zu können. Wir haben keine Papiere, die uns dabei helfen zu überleben oder zu arbeiten. Nun haben Einige von uns zumindest die Möglichkeit in der St. Pauli Kirche zu übernachten. Dafür sind wir sehr dankbar - und die `Embassy of Hope´ gibt uns auch wirklich ein wenig Hoffnung. 
 
Aber der Senat fing an Schlechtes über uns zu erzählen. Sie sagten, dass Einige von uns Soldaten Mohammar Al Ghaddafis gewesen seien und verbreiteten weitere Unwahrheiten. Wir haben weder Ghaddafi noch die Rebellen unterstützt. Wir hatten angenommen, dass in Hamburg Jeder einschließlich den Behörden die Menschenrechte kennt und respektiert. Aber die Behörden missbrauchen uns und predigen lediglich die Menschenrechte. Wir lebten in den Parks und auf den Straßen – deshalb haben wir den Protest formiert. 
 
Beim Leben auf der Straße habe ich eine Menge Kraft verloren. Bis Heute habe ich mich nicht davon erholt. Ich fühle noch immer Krankheit in meinem Körper – aber das Dokument, dass mir in Italien ausgehändigt wurde, berechtigt mich nicht ins Krankenhaus zu gehen. Viele der Flüchtlinge aus Italien haben nicht einmal genug zu Essen und leben noch immer in unwürdigen Verhältnissen. Einige leben noch immer auf der Straße, Einige übernachten in alten Autos, Andere in den Ecken. Nur Wenige haben einen Platz zum Leben.

Bericht eines Flüchtlings

Wir kennen nicht unsere Zukunft, unsere Gegenwart und Vergangenheit. Es waren die EuropäerInnen die den Krieg in Libyen mitverursacht haben – und nun sind sie mitverantwortlich für die Konsequenzen. Wenn die Kirche uns nicht helfen würde – wo wären wir dann? Wir sind dieser Situation so überdrüssig und müde. Die Regierung sollte etwas unternehmen – warum behandeln sie AfrikanerInnen in Europa auf eine solch inhumane Weise. Ich kann nicht verstehen warum Menschen so herzlos sein können. Was glauben Diejenigen die so mit uns umgehen was passiert, wenn sie einmal Afrika besuchen.


Bericht eines Flüchtlings 
 
Wir leiden sehr stark, seit wir in Deutschland sind. Man gibt uns keine Möglichkeit unser tägliches Überleben zu gewähren. Jede/r von uns ist frustriert. Ich habe von Morgens bis Abends nichts zu tun. Das hinterlässt Schäden. Es ist sehr schwer in solch unwürdigen Bedingungen zu überleben. Ich habe in einem europäischen Land einen humanitären Status erhalten, kann diesen aber nicht nutzen, um mein Überleben in Deutschland zu sichern. In Libyen habe ich in Würde gelebt und gearbeitet. Meine Lebensumstände hier sind sehr degradierend.

In der St. Pauli Kirche tut der Pastor sein Bestes. Aber er und unsere UnterstützerInnen können das Problem nicht alleine lösen. Wir brauchen Unterstützung – aber die Regierung ignoriert uns – und wir fragen die PolitikerInnen um Hilfe. Hier leben 80 Menschen in einem Raum. Wir teilen uns den Platz in Solidarität – aber diese Bedingungen sind schlecht. Wenn jemand krank wird, kann sich diese Krankheit sehr schnell verbreiten. Selbst im Gefängnis herrschen nicht solche Bedingungen, wie die denen wir seit langer Zeit ausgesetzt sind. Wir sind glücklich. Dass sich noch niemand umgebracht hat. Wir haben nichts zu tun und das ist der schlimmste Aspekt, der wirkliche Schäden verursachen kann. Insbesondere, da wir vorher ein solides und sozial abgesichertes Leben geführt haben. Wir konnten uns selbst, unsere Familien und Kommunen versorgen.

Wir benötigen Hilfe, um ein gutes Leben in Frieden führen zu können. Einige helfen – aber wir müssen die Möglichkeit haben, arbeiten zu können, um uns selbst versorgen zu können. Einige Menschen, die keinen Einblick in unsere Situation haben, kritisieren uns. Wenn die europäischen Regierungen nicht den Krieg in Libyen forciert hätten, wären wir nicht hier. Den Krieg zu erleben war schrecklich. Ich hoffe das Jemand in der Regierung Mut beweist und aufsteht, um uns zu helfen – wir benötigen Jemanden der/die sich für uns einsetzt.“

Bericht eins Flüchtlings

Nach der Schließung des Winter Notprogramms, waren wir genötigt auf den Straßen Hamburgs zu leben. Wir waren starker Kälte und einer langen Regenperiode ausgesetzt. Die Frustration war bei allen von uns groß, viele wurden ernsthaft krank. Alle Hoffnung war verloren. Als wir unsere Forderungen nach einer Anerkennung als Kriegsflüchtlinge mit entsprechenden Rechten an die Hamburger Regierung herantrugen, wurden wir immer wieder abgewiesen. Als traumatisierte Kriegsflüchtlinge, sollten wir hier nicht erneut einer so bedrohlichen Situation ausgesetzt werden.

Seit Monaten nutzt die Europäische Union uns als politischen Spielball. Wir werden offenbar nicht als Menschen wahrgenommen. Ich habe so viele Fragen, auf die ich keine Antwort weiss – Fragen wie: Passiert all das, weil wir aus schwarzafrikanischen Ländern kommen? Warum Rassismus? Wo ist die Liebe und Hilfe die Kriegsflüchtlingen eigentlich entgegengebracht werden sollte? Wo sind die Menschenrechte die Flüchtlingen zustehen? Was bedeutet und bewirkt Macht? Ist die wahre Bedeutung von Macht, dass ein anderes Land von einer `Gemeinschaft´ bombardiert werden kann – und wenn die Zeit kommt die Hoffnung der Hoffnungslosen wieder aufzubauen die Verantwortung einzelnen Ländern zugeschoben wird? Kann uns die Europäische Union etwas über den Schutz erzählen, der Kriegsflüchtlingen zusteht?

Viele von uns sind traumatisiert und benötigen dringend Hilfe. Ich hasse es, dass jeden Tag die Bilder von Kriegsflugzeugen in meinem Kopf auftauchen. Oft erinnere ich mich – ich zählte 60 Bomben am 6. Juni 2011 in Tripolis, die von NATO Flugzeugen abgeworfen wurden. Ich erinnere mich immer wieder, wie ich glücklicherweise von einem sinkenden völlig überfüllten Schiff gerettet wurde. Ich habe meine Freunde dort verloren – alte und junge. Immer wieder bin ich schockiert – mit Schmerzen im ganzen Körper – mit Schmerzen im Herzen. In einer Nussschale haben wir das Mittelmeer überquert. Keine Regierung, die sich an die Menschenrechte hält, kann jemals erlauben, dass Kriegsflüchtlinge die Situationen wie wir überlebt haben, erneut solch bedrohlichen Situationen ausgesetzt werden, wie wir. Unsere Situation hier in Hamburg ist sehr schlecht und unwürdig. Die Europäische Union sollte uns helfen und unsere Forderungen als Kriegsflüchtlinge erfüllen.

Wir wollen unser Leben zurück und unserer Rechte als Menschen, um in Würde leben zu können. Wir brauchen dringend Zugang zu medizinischer Versorgung, Arbeit, Wohnung, Bildung und sozialer Unterstützung.“